Die Stiftung Denk an mich setzt sich seit über 50 Jahren für Ferien und Freizeitaktivitäten von Menschen mit Behinderungen ein. Für die Betroffenen sind Ausflüge und Ferien oft nicht erschwinglich, da viele Zusatzleistungen erforderlich sind. Geschäftsführerin Sara Meyer gibt hier Einblick in die wertvolle Arbeit der Stiftung. Angesprochen wird auch unsere inklusive Gesellschaft, in der zwar allen Beteiligten die gleichen Rechte zustehen, es aber noch viel zu tun gibt.

Die Stiftung Denk an mich unterstützt seit über 50 Jahren Ferien und Freizeitaktivitäten von Menschen mit einer Behinderung. Wie ist die Stiftung entstanden und wie hat sie sich in den letzten Jahren entwickelt?
Sara Meyer: Die Stiftung wurde 1968 von Jeannette und Martin Plattner gegründet, die beide bei SRF arbeiteten und auch Radiosendungen moderierten. Sie starteten eine grosse Sammelaktion, um Kindern mit Behinderungen, die damals in Altersheimen untergebracht waren, Sommerferien mit Gleichaltrigen zu ermöglichen. Das tun wir bis heute, wenn auch unter anderen Prämissen.
Was sind heute die Hauptaufgaben, respektive die drei Tätigkeitsbereiche, der Stiftung Denk an mich?
Die Hauptaufgabe der Stiftung ist die Förderung der Inklusion im Freizeitbereich. Kernziel ist das gesellschaftliche Miteinander und der Abbau von Barrieren in der Schweiz. Wir haben drei Förderbereiche: Einzelhilfe, Gruppenaktivitäten und Projekte. Dabei übernehmen wir die Mehrkosten, die aufgrund der Behinderungen entstehen, und fördern Inklusionsprojekte.

Wie würden Sie die Stiftung Denk an mich charakterisieren, respektive was macht sie bei den Spenderinnen und Spender so sympathisch?
Wir sind klein, nahbar und bescheiden. Unsere Geschäftsstelle setzt sich aus rund 5.5 Vollzeitstellen zusammen und prozessiert jährlich rund 2’500 Gesuche mit einem Förderbeitrag von insgesamt drei bis fünf Millionen Franken.
Wir leben in einer hochmodernen, digitalisierten Welt. Dennoch können Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderungen nicht selbstverständlich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Wie schafft hier Ihre Stiftung Abhilfe?
Wir fördern die Teilhabe im Freizeitbereich. Nicht nur, weil es unserem Stiftungszweck entspricht, sondern weil wir überzeugt sind, dass hier die Grundlage für ein natürliches Miteinander geschaffen werden kann. Wenn Menschen gemeinsam Freizeit verbringen, entfallen auch die Barrieren und Berührungsängste.
Inklusion ist in aller Munde. Was heisst das konkret und wie wird Inklusion in der Schweizer Gesellschaft und im Alltag gelebt?
Inklusion ist zurzeit noch eine Vision: Menschen mit Behinderungen sollen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Es ist sehr wichtig zu wissen, dass es sich dabei nicht um soziale Utopien handelt, sondern um Menschenrechte.
Was sind Grundvoraussetzungen für Inklusion?
Zuerst braucht es Information. In der Schweiz lebt rund ein Fünftel der Bevölkerung mit Behinderungen, das ist also keine Nische. Dann braucht es die Erkenntnis, dass wir aktuell den Ausschluss von Menschen mit Behinderungen als normal hinnehmen. Erst auf dieser Grundlage ist ein Umdenken und Handeln möglich.

Wo gibt es in der Schweiz bezüglich Inklusion noch Handlungsbedarf?
In allen Lebensbereichen: Bildung, Wohnen, Arbeit und Freizeit. Solange Menschen mit Behinderungen in separative Strukturen «abgeschoben» werden, gibt es kein natürliches Miteinander. Die Gesellschaft muss anerkennen, dass aktuell Menschenrechte verletzt werden, was als normal hingenommen wird.
Wie wird die Stiftung finanziert?
Wir sind finanziell und strukturell unabhängig vom Schweizer Radio und Fernsehen. Das bedeutet, dass sämtliche Fördergelder ausschliesslich von Privatpersonen, Firmen und Institutionen stammen.
Wer sind die Spenderinnen und Spender?
Unsere Stiftung hat eine lange Tradition gelebter Solidarität. Neben Einzelspenden von Privatpersonen, Firmen und Organisationen gibt es auch ganz viele Menschen, die sich persönlich engagieren. Sie rufen Sammelaktionen ins Leben, verzichten auf Geburtstagsgeschenke oder lassen uns an privaten Ereignissen teilhaben. Das ist wirklich sehr berührend.

Momentan scheint die Welt etwas aus den Fugen geraten zu sein und gerade auch im humanitären Bereich sowie bei wohltätigen Organisationen wird der Rotstift angesetzt. Spüren Sie das oder hat dies Auswirkungen auf Ihre Arbeit oder die Spenden?
Die Schweizer Bevölkerung ist enorm solidarisch und die Zewo-Statistik zeigt, dass die durchschnittlichen Spendenausgaben seit Jahren stetig wachsen. Doch die Not ist gross und so gibt es einen Verteilkampf. Auch wir müssen immer mehr tun, um auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen. Zum Glück sind wir aber im Vergleich zu anderen Organisationen sehr klein und bescheiden.
Können Sie Bilanz ziehen über 2024, sind Sie zufrieden mit den Spenden?
Es ist mir wichtig, die Spenden als das zu betrachten, was sie sind: ein Geschenk. Daher freuen wir uns jedes Jahr über das grosse Vertrauen, das Spenderinnen und Spender unserer Stiftung entgegenbringen. Wir können nicht genug danken und setzen uns mit Herzblut dafür ein, dass die Spenden auch bei den Menschen mit Behinderungen ankommen und in ihrem Alltag einen Unterschied schaffen.
Was wünschen Sie sich für die Stiftung und Ihre Arbeit im Dienst der Menschen mit Behinderungen für dieses Jahr?
Mein Wunsch ist ganz generell, dass sich die Menschen wieder öffnen, mit dem Gegenüber in einen Dialog treten und sich füreinander interessieren. Das schafft Nähe anstelle von Distanz und davon profitieren auch Menschen mit Behinderungen. Zudem freuen wir uns natürlich über jede Spende, die uns hilft, weiterhin Barrieren im Ferien- und Freizeitbereich abzubauen.
Interview: Corinne Remund
Über die Stiftung Denk an mich
Die Stiftung Denk an mich unterstützt Ferien und Freizeitaktivitäten von Menschen mit Behinderungen. Als Solidaritätsstiftung des Schweizer Radio und Fernsehen SRF setzen wir uns seit über 50 Jahren für die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ein. Dazu gehören auch Ferien und Freizeitaktivitäten, die sich viele Menschen mit Behinderungen nicht leisten können.